„Das ist kein Scherz: Wir leiden!“

vonAnja Polaszewski | freie Autorin
"Das ist kein Scherz: Wir leiden!" Leben mit Endometriose
Unsplash / Creedi Zhong

Leben mit Endometriose. Unsere Autorin Anja Polaszewski hat sich mit Frauen darüber ausgetauscht – und unter Tränen erfahren, wie sehr sie wirklich leiden.

  • Extreme Regelschmerzen („so als würde ich durch einen Fleischwolf gedreht“),
  • Übelkeit („wirklich, es ist viel schlimmer als nach einer durchzechten Nacht“),
  • Durchfall („sodass ich manchmal den ganzen Tag auf dem WC verbringe und weine“)

Hinter diesen und vielen anderen Symptomen kann Endometriose stecken. Weil die Beschwerden, die mit dieser Erkrankung einhergehen, so unspezifisch sind, wird sie oft erst nach vielen Jahren diagnostiziert – manchmal auch gar nicht.

Zum Leidwesen der Betroffenen, die zu diesem Zeitpunkt oft schon zermürbende Kämpfe ausgestanden haben.

„Bei mir äußerte sich die Endometriose eigentlich nur in Ischias-Beschwerden. ‚Nur.‘ Es waren ehrlich gesagt höllische Schmerzen. Deshalb glaubten die Ärzte, es läge an der Bandscheibe“, berichtet die 31-jährige Juliane in einem bekannten sozialen Medium.

Ihr Leidensweg ist lang – so wie der vieler Erkrankten: „Ich war bei Neurologen, Neurochirurgen, Orthopäden. Es wurde viel probiert und sogar operiert – nichts half. Immer schlimmer wurde es.

Meine Rettung war nach Jahren ein sehr kompetenter Schweizer Arzt, den meine Mutter ausfindig machte: Er operierte meine  sogenannte isolierte Endometriose – am Ischiasnerv!“

Mehr zum Krankheitsbild

Geschichten wie die von Juliane – und weitaus kompliziertere – gibt es unzählige, und nicht immer haben sie ein gutes Ende: Manche Frauen haben ihr Leben lang mit der chronischen Erkrankung zu kämpfen.

Die Anzahl der betroffenen Frauen im Alter zwischen Pubertät und Wechseljahren liegt schätzungsweise zwischen fünf und 15 Prozent – genauere Zahlen gibt es leider nicht. Auch die Ursachen sind weitestgehend unbekannt.

Judith Bildau, Fachärztin für Frauenheilkunde erklärt in einem Interview mit „MamaDoc“: „Die Endometriose unterliegt dem Monatszyklus; sie ist eine relativ häufig auftretende, gutartige, aber sehr schmerzhafte Erkrankung. Typisch ist, dass gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe – das Endometrium – außerhalb der Gebärmutter in benachbarten Organen auftritt.“

Die ganze Zeit mit Schmerzen leben

Einige Frauen haben durch Verwachsungen oder Verklebungen beispielsweise an den Eierstöcken sogar den ganzen Monat lang Beschwerden – so auch die 30-jährige Melanie G. aus Westerstede. „Ich hatte seit Beginn meiner Periode mit 14 Jahren und noch bis 18 Jahre durchgängig Schmerzen.“

Die meisten Frauen kennen die Krankheit nicht

Auch bei der 29 Jahre alten Jacqueline wurde so vor dreizehn Jahren Endometriose festgestellt. „Ich glaube, die meisten Frauen wissen gar nichts von der Krankheit und lassen sich deshalb auch nicht untersuchen“, sagt sie und berichtet von eigenen Beschwerden beim Wasserlassen und Stuhlgang, sogar beim Sex. „Durch den Schmerz vergeht einem leider die Lust an einer eigentlich so wunderschönen Sache.“

Die schönste Sache der Welt?

Endometriose gleich Unfruchtbarkeit?

Apropos Sex – und Kinderwunsch: Dass mit der Endometriose nicht zwangsläufig eine Unfruchtbarkeit einhergeht, weiß beispielsweise die 38-jährige Christiane: Trotz der Krankheit bekam sie sogar vier Kinder:

„Meine Erstdiagnose erhielt ich schon im Jahr 2006. Im Gegensatz zu vielen anderen Leidensgenossinnen hatte ich aber riesiges Glück, dass ich mit meinen Kids so reich beschenkt wurde. Im letzten Jahr allerdings musste ich mich wegen einer zusätzlich diagnostizierten Adenomyose, einer besonderen Form der Endometriose, von meiner Gebärmutter trennen.“

Was ist betroffenen Frauen ganz wichtig im Zusammenhang mit der Endometriose? „Dass man sich qualifizierten Rat holt und sich nicht von anderen Einzelschicksalen aus der Fassung bringen lässt“, sagt eine Userin, die lieber anonym bleiben möchte.

„Bitte meidet die Internetforen und die – sorry – ganzen ‚Jammerthreads‘. Wendet euch lieber gleich an Zentren mit ausgewiesener Endometriose-Sprechstunde.. Das erspart euch einiges an Ängsten, und mit ein bisschen Glück könnt ihr ziemlich bis komplett beschwerdefrei leben.“

Linktipps für Betroffene

Warum ist die Krankheit immer noch ein Tabu?

Viele Frauen, die unter der Krankheit leiden, fühlen sich aber einfach unverstanden – und wollen unbedingt darüber reden und sich mit anderen Betroffenen und vor allem auch Nicht-Betroffenen austauschen.

„Den Schmerz können wir oft mit Hormonbehandlungen oder eben Operationen beheben oder lindern“, schreibt Alina W. aus Wuppertal. „Am allerschlimmsten finde ich aber das Unverständnis, auf das wir Endometriose-Frauen noch immer treffen.

Endometriose scheint noch immer ein Tabuthema zu sein. Und ich verstehe überhaupt nicht, warum das im 21. Jahrhundert immer noch so sein muss.“

Es mangelt an Wissen und Aufklärung

Verzweiflung und richtiggehende Wut darüber lässt auch die 44-jährige Janine T. aus Erfurt durchscheinen: „Mein Gott, das ist doch kein Scherz, wir leiden richtiggehend! Wie oft habe ich schon gehört: Stell‘ Dich mal nicht so an, das bisschen Periodenschmerz, das machen doch die meisten Frauen durch.

Wenn diese Leute doch nur so einen schlimmen Tag mit mir tauschen könnten. Sie würden es besser verstehen und ganz bestimmt anders reden und denken.“

Und weiter schreibt sie: „Es ist weltweit doch jede zehnte Frau davon betroffen. Und ich selbst muss starke Schmerzmittel nehmen, um überhaupt den Tag zu überstehen.

Ich habe eine Bitte an alle Menschen ohne Endometriose: Schaut richtig hin, fragt bei Zweifeln nach, urteilt niemals voreilig! Da bedarf es ganz dringend mehr Aufklärung.“