Herpes, Hämorrhoiden und Co. Es gibt viele unangenehme Beschwerden und Erkrankungen, über die wir nicht gerne sprechen. Menschen meiden aus Scham den Arztbesuch – so können normalen Beschwerden schwerwiegende Folgen haben. Deswegen sollten wir offener darüber sprechen!
Magazine schreiben heutzutage unverblümt über alles zum Thema Sex – und das ist auch gut so. Zwar hat Aufklärung und Information zu sinkenden HIV-Neuinfizierungen in westlichen Ländern geführt, bei anderen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis ist das leider nicht der Fall.
Denn viele Menschen schämen sich über die Geschlechtskrankheit so sehr, dass sie ihren Sexualpartnern nicht davon erzählen. Die Folge: die Krankheiten verbreiten sich weiter.
Einige Menschen mit typischen Beschwerden schämen sich auch davor, zum Arzt zu gehen. Doch einige sexuell übertragbaren Krankheiten müssen medizinisch behandelt werden – sonst drohen andere Probleme wie Unfruchtbarkeit oder ein höheres Gebärmutterhalskrebsrisiko.
Jeder Mensch besitzt Hämorrhoiden. Normalerweise sitzen die Gefäßpolster in der Schleimhaut des Enddarms und dichten den After ab. Wenn die Hämorrhoiden sich vergrößern und nach außen treten (zum Beißspiel durch chronische Verstopfung, genetische Veranlagung viel Sitzen oder Schwangerschaft), werden sie zum Problem. Jucken am After, Blut im Stuhl und Ausfluss aus dem After sind typische Symptome. Da es sich hierbei aber um eine Erkrankung der Ausscheidungsorgane handelt, ist die Scham oft groß. Betroffene versuchen häufig das Ganze selbst mit Cremes und Zäpfchen in den Griff zu bekommen.
Ein Fehler, denn: vergrößerte Hämorrhoiden bilden sich jedoch nicht von allein zurück – sie können von einem Arzt aber einfach entfernt werden. Werden vergrößere Hämorrhoiden nicht behandelt, kann ein aufwändigerer operativer Eingriff notwendig sein.
Schätzungen zufolge leiden zwischen fünf und acht Millionen Deutsche unter einer Form von Inkontinenz – Frauen sind etwa siebenmal häufiger betroffen als Männer. Oft sind Geburtsverletzungen oder frühere Erkrankungen Ursache für die Inkontinenz. Trotzdem sprechen Betroffene ungern über ihre Beschwerden – sie haben teilweise durchgehend Angst, dass jemand die Symptome riechen oder sehen kann. Sie isolieren sich lieber, als einen Arzt aufzusuchen.
Der Arztbesuch lohnt sich jedoch, denn es gibt viele verschiedenen Therapiemaßnahmen bei Inkontinenz – sowie zahlreiche Selbsthilfegruppen, in denen sich Betroffene austauschen können.
Obwohl viele Frauen mindestens einmal in ihren Leben einen Vaginalpilz bekommen, wird über dieses Intim-Problem sehr ungern gesprochen. Kommen Symptome wie Jucken im Intimbereich und krümeliger Ausfluss vor, haben viele Frauen Angst davor, als unhygienisch abgestempelt zu werden. Scheidenpilz wird oft jedoch durch eine geschwächte Immunabwehr zum Beispiel nach einer Antibiotikaeinnahme ausgelöst. Auch Bakterien auf dem Penis des Mannes können die Beschwerden auslösen.
Und: Wenn Betroffene nicht zum Arzt gehen und die Symptome behandeln, können sich Partner immer wieder gegenseitig anstecken.
Nasse Flecken unter den Achseln oder Schweißtropfen auf der Stirn gelten vor allem bei Frauen als Fashion-Fauxpas. Schwitzen (außer bei Sportlern) ist mit viel Scham und einem generellen Gefühl von Unsauberkeit verbunden.
Menschen, die übermäßig viel Schwitzen (Hyperhidrosis), schämen sich oft für ihre Krankheit. Sie versuchen mit viel Deo, Parfüms und gedeckter Kleidung die Schwitzflecken zu verstecken – außerdem meiden sie oft Körperkontakt. Zu viel Deo oder Parfüm kann jedoch die Haut stark reizen – und auch vermiedener Körperkontakt zu Familie und Partner senkt auf Dauer die Lebensqualität.
Akne, Ekzeme und Co. werden von vielen Menschen als unschön empfunden – vor allem an sich selbst. Betroffene versuchen mit Make-Up oder Kleidung, die Hautstellen zu verstecken, anstatt sie behandeln zu lassen. Das zwanghafte Verstecken bestimmter Hautstellen wirkt sich nicht nur negativ auf das Selbstbewusstsein aus, es kann auch Neurosen begünstigen.
Die meisten Hauterkrankungen oder ihre Symptome lassen sich gut behandeln – trotzdem sollten sich niemand schämen müssen, nur weil seine Haut nicht perfekt ist.
Bestimmte Krebs-Arten sind mit bestimmten Lebensstilen verbunden – sicher belegt ist zum Beispiel, dass Rauchen zu Lungenkrebs führen kann. Raucher, bei denen sich erste Krebs-Anzeichen zeigen, schämen sich dann manchmal für ihre „Unfähigkeit“, auf Nikotin zu verzichten. Vor allem aber Krebs, der in intimen Regionen wie dem Darm oder den Geschlechtsteilen vorkommt, wird als peinlich empfunden. Viele Menschen scheuen sich vor Vorsorgeuntersuchungen wie Koloskopien oder Stuhluntersuchungen. Laut der AOK nutzt beispielsweise jeder fünfte Deutsche das Angebot zu Darmkrebs-Vorsorge nicht.
Erektionsstörungen und Fruchtbarkeitsstörungen sind auch heute noch ein Tabu. Männer mit Erektionsstörungen fühlen sich unmännlicher – unfruchtbare Frauen mit Kinderwunsch fühlen sich nicht Frau genug. Deswegen sprechen viele Menschen sehr ungerne darüber. Jedoch sind Fruchtbarkeits- und Sexualstörungen weiter verbreitet als gedacht. Wenn wir öfter darüber sprechen, würden sich Betroffene vielleicht nicht länger schämen oder schlecht fühlen.
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V.: Valide Antworten auf zahlreiche Fragen. Unter: https://www.dgppn.de/schwerpunkte/zahlenundfakten.html (letzter Zugriff: Juni 2020)
Selbsthilfeverband Inkontinenz e.V.: Einige Zahlen zur Inkontinenz. Unter: https://www.selbsthilfeverband-inkontinenz.org/svi_suite/svisuite/inkontinenz-zahlen-fakten.php (letzter Zugriff: Juni 2020)
AOK: Darmkrebsvorsorge: Jeder fünfte Versicherte ab 60 geht nicht hin. Unter: https://aok-bw-presse.de/ressorts/lesen/darmkrebsvorsorge-jeder-fuenfte-versicherte-ab-60-geht-nicht-hin.html (letzter Zugriff: Juni 2020)