Das Triage-System einfach erklärt

Triage: Bild von einem Krankenzimmer
© Unsplash/ Daan Stevens

Katastrophenfall: Kliniken sind überfüllt, Ressourcen werden knapp – wer wird jetzt zuerst behandelt? Die Triage hilft dem medizinischen Personal bei diesen Entscheidungen.

Triage: Was ist das?

Das Wort Triage kommt vom französischen Wort „trier“. Das bedeutet so viel wie „auswählen“ oder „sortieren. Bei der Triage im Krankenhaus werden Patienten nach der Schwere ihrer Verletzungen eingeteilt.

So können Ärzte und das Krankenhauspersonal schnell entscheiden, wer zuerst behandelt werden muss.

Triage kommt aus der Militärmedizin

Die Triage wurde 1792 während der napoleonischen Kriege entwickelt. In dieser Zeit gab es oft so viele Verwundete, dass die Lazarette überfüllt waren. Es musste ein System her, um zu entscheiden, wer zuerst behandelt werden sollte bzw. wer sich selbst helfen konnte.

Da es sich hier um Soldaten handelte, die möglichst schnell wieder einsatzbereit sein sollten, wurde die Triage mit folgendem Ziel entwickelt:

Diejenigen mit den besten Aussichten auf Genesung bekommen zuerst Hilfe – und nicht die Menschen, die die Hilfe am nötigsten brauchen.

Dieses Konzept widerspricht also eigentlich den Prinzipien der heutigen Medizin. Denn eigentlich sollten Menschen, denen es besonders schlecht geht, ja zuerst behandelt werden. So wird es normalerweise in der ärztlichen Behandlung auch gehandhabt.

Wichtig hier ist: Die Triage im ursprünglichen Sinne kommt in der Regel nur in Notfall- oder Ausnahmesituationen zum Einsatz. Kommt es (beispielsweise durch Krieg, Katastrophen oder aktuell einer Pandemie) zu einem Mangel an Zeit, Personal oder Materialien, dann ist eine angemessene Versorgung aller Menschen einfach nicht möglich. Hier müssen Entscheidungen getroffen werden, damit möglichst viele Menschen überleben. Patienten mit hohen Überlebenschancen werden hier generell zuerst behandelt.

Entscheiden Ärzte wirklich, wer leben darf?

Oft liest man, dass bei der Triage die Ärzte entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss. Das stimmt so aber nicht.

In Deutschland werden feste Regelungen für die Triage in medizinischen Leitlinien festgelegt. Mehrere Fachgesellschaften, unter anderem die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), legen Richtlinien für jeden Katastrophenfall fest.

In den Leitlinien geben die Fachgesellschaften Empfehlungen, nach welche Kriterien die Ärzteteams Patienten priorisieren sollten.

Auf der Webseite der AWMF kannst du dir alle Leitlinien anschauen.

Es entscheidet auch nicht ein Arzt allein, wer lebensrettende Behandlungen erhalten soll. Hier gilt das Mehraugen-Prinzip. Mehrere Ärzte und medizinisches Personal treffen gemeinsam die Entscheidung.

Übrigens gibt es auch verschiedene Abstufungen bei den Leitlinien:

  • S1: Handlungsempfehlung einer Expertengruppe: Experten haben sich in einem „informellen Verfahren“ auf bestimmte Empfehlungen geeinigt.
  • S2k: Konsensbasierte Leitlinie: Ein repräsentatives Gremium einigt sich in einem strukturierten Konsensverfahren auf eine Leitlinie
  • S2e: Evidenzbasierte Leitlinie: Hier wird systematisch recherchiert und die bestehende Literatur in die Entscheidung miteinbezogen.
  • S3: Evidenz- und konsensbasierte Leitlinie: Es gibt Belege und Studien, die die Empfehlungen unterstützen. Ein repräsentatives Gremium hat in einem strukturierten Konsensverfahren über die Leitlinien beratschlagt.

Die Leitlinie für die Corona-Pandemie hat die Klassifikation S1.

Es handelt sich hierbei nur um Leitlinien – keine Gesetze

Bei den Leitlinien handelt es sich nur um eine Entscheidungshilfe für Ärzte. Sie sind keine Gesetze. Ärzte und medizinisches Personal sollten sich in Ausnahmesituationen trotzdem an Triage-Empfehlungen halten. So schützen sie sich auch für rechtlichen Konsequenzen im Falle einer Klage.

Wer bekommt die Behandlung? Kriterien

Bei der Entscheidung, wer eine lebensrettende Behandlung bekommt, schauen Ärzte auf verschiedene Faktoren.

Unter anderem:

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand?
  • Wie schwer ist die Erkrankung?
  • Gibt es lebensbedrohliche Begleitkrankheiten? (z.B. Krebs)
  • Liegt eine Patientenverfügung vor? /Stimmt der Patient einer Behandlung zu?

Nicht-intensivmedizinisch behandelt werden in Ausnahmesituationen Menschen, die eine sehr geringe Überlebenschance haben. Das oberste Ziel der Triage ist es, möglichst viele Leben zu retten. Werden Menschen, die schnelle Genesungsaussichten haben, zuerst behandelt, dann wird schneller wieder ein Intensivbett für den nächsten Patienten frei.

NICHT relevant sind:

Alter
Nationalität
Sexualität
Einkommen
Behinderungen
Welche Krankenversicherung
Bildung
Sozialer Status

Warum brauchen wir das System: Fallbeispiel Corona

Am aktuellen Fallbeispiel der Corona-Pandemie lässt sich einfach erklären, wieso das Triage-System so wichtig ist.

Menschen mit schweren Corona-Verläufen brauchen eine intensivmedizinische Behandlung. Natürlich sind aber auch die Betten und Beatmungsgeräte nur in begrenzten Zahlen verfügbar. Wenn alle Kapazitäten ausgeschöpft sind und trotzdem die Fallzahlen weiter steigen, muss entschieden werden (oft unter Zeitdruck), wer intubiert werden soll.

Übrigens: Eine bestehende Behandlung wird in der Regel nicht einfach so gestoppt, wenn eine Person mit größeren Überlebenschancen kommt. Ein über 80-jähriger Patient wird also nicht vom Beatmungsgerät abgehängt, nur weil ein jüngerer Mensch ins Krankenhaus geliefert wird.   Der Ethikrat erklärt, dass es sich hier um einen Rechtsverstoß handeln würde.

Für Ärzte oder Pfleger bedeutet eine solche Entscheidung ein moralisches Dilemma. Müssten sie diese allein treffen, wirkt sich das stark auf ihre psychische Gesundheit aus.

Durch die festen Kriterien und Empfehlungen der Triage-Leitlinie müssen Ärzte aber nicht allein entscheiden. Sie können sich in ihrer Entscheidung auf die Vorgaben der Leitlinie berufen.

Die Triage-Leitlinie für die Corona-Pandemie findest du übrigens hier!

Übrigens gelten die Empfehlungen der Leitlinie nicht ausschließlich für Corona-Patienten. Behandlungsentscheidungen (also wer zuerst behandelt wird) werden zwischen allen Intensiv-Patienten im Krankenhaus getroffen.

Es gibt an Kliniken keine bestimmte Anzahl an Beatmungsgeräten oder Intensivbetten, die ausschließlich für Covid-Patienten eingesetzt werden dürfen.

Triage in anderen Ländern

Auch in unseren Nachbachländern gibt es Triage-Empfehlungen. In Österreich, der Schweiz, Italien und Frankreich gibt es in Corona-Zeiten jeweils Leitlinien mit dem Ziel, auch bei Engpässen möglichst viele Leben zu retten.

In Italien und Frankreich soll in den Leitlinien auch das Alter der Patienten eine Rolle spielen. So soll bei der Auswahl auch bedacht werden, wie viele Jahre die Patienten nach der Behandlung noch leben könnten.

In Deutschland spielt das Alter des Patienten laut den Leitlinien keine Rolle.

Quellen