Einsamkeit überwinden: Wenn der eigene Kopf zum Gefängnis wird

Frau beobachtet Sonnenuntergang
Immer mehr Menschen leiden unter Einsamkeit.
© Unsplash/ Meiying Ng

So gut wie jeder Mensch durchläuft in seinem Leben eine Phase der Einsamkeit. Oft handelt es sich nicht nur um eine Phase, sondern ein andauerndes Gefühl. Doch wie genau zeigt sich Einsamkeit und noch viel wichtiger, wie kann ich Einsamkeit überwinden?

Wie erkenne ich Einsamkeit?

Einsamkeit ist eine seelische Belastung, die sich mit der Zeit aber auch körperlich bemerkbar macht. Denn das Gefühl der Einsamkeit begleitet dich, egal wohin du gehst. Als als würde alles um dich herum stattfinden – ohne, dass du ein Teil davon bist. Es fällt dir schwer, Anschluss zu finden. Auch ein innerer Monolog mit Fragen wie „Wer will schon, dass ich dabei bin?“ oder „Warum sind alle glücklich, außer mir?“ deuten darauf, dass du dich einsam fühlst.

Dazu kommen andere starke Emotionen: Du machst dir Vorwürfe, fühlst dich ausgegrenzt und minderwertig. Einsamkeit überwinden scheint noch fern. Aber zu erkennen, dass man sich einsam fühlt ist der erste Schritt.

Was ist der Unterschied zwischen einsam und allein sein?

Die Worte „allein“ und „einsam“ werden gerne als Synonym füreinander eingesetzt, das ist aber meist falsch. Alleinsein ist ein Zustand. Du kannst alleine ins Kino gehen, ohne dich dabei einsam zu fühlen. Für Außenstehende ist es sichtbar, dass du alleine bist, Einsamkeit hingegen ist ein inneres Gefühl, das der Betroffene für sich behält. Viele Menschen wollen Alleinsein und es macht sie sogar glücklich. Einsamkeit hingegen ist ein bedrückendes Gefühl und mit Trauer verbunden.

Depressionen rechtzeitig erkennen

Vereinsamung – So entsteht Einsamkeit

Einsamkeit ist ein schleichender Prozess und jeder Mensch durchlebt ihn anders. Auslöser sind häufig sich verändernde Lebensumstände. Die beste Freundin zieht weg oder man verliert seinen Partner. Ein Mensch, der zur eigenen Welt gehört hat, verschwindet und hat etwas mitgenommen. Auch ein Umzug in eine fremde Stadt oder ein neuer Arbeitsplatz verändern unser Umfeld. Der Knackpunkt ist jedoch nicht, was passiert, sondern wie man individuell mit dieser Veränderung umgeht.

Doch was ist, wenn alles wie immer ist und ich mich trotzdem einsam fühle? Das ist natürlich noch belastender: Es bildet sich ein großes Fragezeichen im Kopf, gefolgt von der Frage: „Alles läuft klasse, also wieso fühle ich mich so einsam?“

Einsamkeit muss nicht zwingend mit einer anderen Person zu tun haben. Eine innere Unverbundenheit zu allem und jedem kann ebenfalls Einsamkeit hervorrufen. Die Gründe können tiefer liegen (z.B. häusliche Gewalt, Mobbing, …) und müssen nicht unbedingt etwas mit der Gegenwart zu tun haben. Denn nur weil Wunden alt sind, heißt es nicht, dass sie geheilt wurden. Deshalb können auch Menschen, mit guten sozialen Beziehungen sich sehr einsam fühlen.

Wie fühlt sich eine Panikattacke an?

Unabhängig davon, wie Einsamkeit entsteht, haben alle Menschen, die einsam sind, etwas gemeinsam: Die Beziehung zu sich selbst ist geschädigt. Einsame Menschen lehnen sich selbst ab und fühlen sich nicht liebenswert und haben Angst vor Ablehnung.

Einsamkeit in jeder Lebensphase – Wer ist von Einsamkeit betroffen?

Wer denkt, dass nur alte Menschen von Einsamkeit betroffen sind, irrt sich. Eine Umfrage von Statista zeigt, dass 23 Prozent der 18 bis 29-jährigen sich ständig und 36 Prozent sich manchmal einsam fühlen. Bei den 60 bis 69-jährigen hingegen, fühlen sich nur 11 Prozent häufig und 22 Prozent manchmal einsam. Einsamkeit ist also in jeder Altersgruppe und in jeder sozialen Schicht vertreten.

Das größte Paradox der heutigen Zeit ist wohl, dass sich immer mehr junge Menschen einsam fühlen und das, obwohl es viel mehr Möglichkeiten gibt, Menschen kennenzulernen.

Einsamkeit als Krankheit – Psychische und Physische Folgen

Was als Gefühl beginnt, kann in einer Krankheit enden. Deshalb Einsamkeit unbedingt zu sein ernst zu nehmen. Forscher berichten im Fachblatt „PLOS ONE“ , dass Alleinlebende 1,5- bis 2,5-mal eher an einer psychischen Erkrankung leiden, als andere Menschen. Dazu gehören Depressionen und Angststörungen. Die Studie betonte, dass alle Altersgruppen und Geschlechter betroffen sind. Als Folge können unter anderem Müdigkeit und Schlafstörungen auftreten. Die Belastung kann sogar Suizidgedanken hervorrufen.

Auch körperliche Folgen treten bei starker Einsamkeit auf. Eine britische Studie, untersuchte Daten einer halben Millionen Briten. Die Analyse zeigte, dass die Menschen, die sich einsam fühlten, häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten und sogar früher starben.

Einsamkeit überwinden

Einsamkeit kann wie ein Raum ohne Tür wirken. Doch auch wenn es auf dem ersten Blick keine Tür gibt, musst du nicht in diesem Raum bleiben. Es ist zwar, unklar wie Einsamkeit “gemessen” werden kann – trotzdem gibt es Tipps, die dir helfen können, deine Einsamkeit zu überwinden.

#1 Erinnere dich daran, wer du bist

Wenn du einsam bist und in diesem Loch feststeckst, siehst du nichts mehr außer Leere und Dunkelheit. Du siehst nicht mal mehr dich selbst. Dabei bist du jemand und tief im Inneren weißt du es auch. Erinnere dich daran, was dich ausmacht, was du besonders gut kannst und was dir Spaß macht. So kindisch es zu Beginn klingen mag, nimm einen Stift und ein Blatt und male ein Strichmännchen, dass dich verkörpern soll. Schreibe nun um das Männchen, deine besten und schlechtesten Eigenschaften auf. Das Gefühl der Einsamkeit spielt deinem Geist und deiner Selbstwahrnehmung gerne Streiche.

#2 Ein Date mit dir

Auch wenn Einsamkeit und Alleinsein nicht das gleiche sind, kannst du vom Alleinsein profitieren. Niemand will mit dir den neuen Kinofilm ansehen? Dann geh alleine ins Kino und zelebriere den Moment. Pflege die Freundschaft zu dir selbst. Du wirst danach voller Selbstbewusstsein und Stärke hervortreten. Vor allem aber hast du etwas gutes nur für dich getan.

#3 Du bist nicht alleine

Wenn du allein in deinem Zimmer sitzt und durch die sozialen Medien klickst, wirkt es, als hätte jeder die beste Zeit seines Lebens. Versuche die sozialen Medien wie einen Schönheitswettbewerb zu sehen: Jeder will der Außenwelt nur die beste Seite von sich zeigen. Vergleich dich nicht mit einer Scheinwelt. Im Gegenteil: Das was du fühlst ist real und andere Menschen fühlen das gleiche. Führe dir vor Augen, dass du nicht alleine mit der Einsamkeit bist.

#4 Gemeinsam einsam

Ist dir aufgefallen, dass in dem Wort „Gemeinsam“ ironischerweise das Wort „einsam“ steckt? Der Punkt knüpft an den vorherigen an. Du bist nicht allein mit diesem Gefühl. Vertrau dich jemanden an. Beschreibe, wie du dich fühlst und sprich mit verschiedenen Leuten über deine Einsamkeit. Du wirst auf Unverständnis, Empathie und Gleichgesinnte treffen. Je mehr du über dein Problem sprichst, desto mehr Perspektiven kannst du aufgreifen, die dir Klarheit beschaffen werden.

Arbeite an der Beziehung zu dir selbst

#5 Such dir Hilfe

Die Theorie ist immer einfacher, als die Praxis. Wenn du deinen Gefühlssturm nicht alleine bewältigen kannst und nicht aus dem Loch rauskommst, dann such dir jemanden, der dir die Hand reicht. Vereinbare einen Termin bei deinem Hausarzt und erkläre ihm wie du dich fühlst. Dieser kann dir Informationen und passende Kontaktstellen geben, an die du dich wenden kannst. Spätestens dann wirst du sehen, dass du nicht allein mit deiner Einsamkeit bist.

Hier findest du Unterstützung:

Wenn du sofort Hilfe brauchst, dann eigenen sich Onlineangebote von Organisationen. Diese kannst du gleich nutzen:

  • Telefonseelsorge: Du kannst bei der Telefonseelsorge kostenfrei unter
    0800 111 0 111
    0800 111 0 222
    anrufen, aber auch die Chat- und E-Mail-Funktion nutzen. Auch ist die Organisation in allen großen Städten vertreten, sodass du auch eine Vor-Ort-Beratung nutzen kannst.
  • Silbernetz: Silbernetz ist eine kostenfreie Soforthilfe-Rufnummer, die vor allem für ältere, vereinsamte Menschen gedacht ist. Täglich von 08:00 – 22:00 Uhr unter 0800 470 80 90.

In Großstädten, findest du verschiedene Selbsthilfegruppen. In denen kannst du mit gleichgesinnten über dein Problem austauschen.

  • Kreuzbund Berlin: Der Verband hat sich speziell auf alleinlebende Menschen konzentriert. Am 4. Sonntag im Monat findet ein Treffen im Begegnungszentrum statt:
    Tübinger Straße 5, 10715 Berlin.
  • Selbsthilfezentrum München: Das Selbsthilfezentrum München bietet verschiedene Selbsthilfegruppen an. Das Spektrum der Selbsthilfegruppen ist vielfältig, sodass du auch Gruppen findest, in denen es speziell um Einsamkeit geht.
  • KISS Hamburg: Auch auf KISS Hamburg findest du Informationen und Kontaktstellen für Selbsthilfegruppe. Darüber hinaus bietet KISS Hamburg ein Selbsthilfe-Telefon an. Du kannst von Montag bis Donnerstag zwischen 10 und 18 Uhr unter 040 39 57 67 anrufen.
  • Selbsthilfe-Kontaktstelle Köln: Die Selbsthilfe-Kontaktstelle Köln bietet Informations- und Beratungsangebote rundum Selbsthilfegruppen. Auch hier kannst du dir eine, für dich passende Gruppe, raussuchen.

Quellen