Wieso ist es so schwierig, „nein“ zu sagen?

vonJenn Knott | freie Autorin
Frau mit no auf ihrer Hand
Ich glaube wir Frauen sagen lieber ja als nein!
© Pexels/ cottonbro

Es klingt selbstverständlich, aber viele haben ein Problem – ob es um eine Einladung, eine ehrenamtliche Tätigkeit, oder extra Aufgaben im Büro geht – mit „nein“ sagen. Erst als ich meine totale Überforderung merkte, entschied ich mich mein „ja“ langsam zu deaktivieren.

Ich bin natürlich prädisponiert, zu helfen und andere glücklich machen zu wollen. Ich will mir durch mein Verhalten das positive Gefühl geben, dass ich ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch und sogar eine gute Bürgerin bin.

Aber Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft haben ihre Grenzen. Denn: Ich befand mich letztes Jahr in der Situation, dass ich vor lauter „ja“ sagen ganz nah an einen Burnout-Zustand geraten bin.

Ganz klar zu viel auf dem Teller

In 2019 war ich gleichzeitig

  • die Elternbeiratsvorsitzende des Kindergartens (und zwar für das dritte Jahr)
  • eine ehrenamtliche Aushilfe in einer Krippe, wo ich vor zwei Jahren einen Platz für meine Tochter gesucht hatte
  • Gründerin und Führerin einer Online-Autorengruppe
  • Mitglied eines Bauernprojektes, in dem es wöchentlich auf einem Feld gearbeitet wurde
  • Studentin in zwei VHS Italienisch Kursen und in drei Online-Schreibkursen bei einer renommierten Comedy-Schule in den USA
  • Mutter zwei Kindergarten-Kindern
  • freiberufliche Autorin
  • zuständig für einen (gut funktionierenden) Vierpersonenhaushalt.

Meine Tage und Wochen waren so voll, dass ich kaum Zeit für Freunde und überhaupt keine Zeit für mich zu entspannen hatte.

Für mehr Entspannung:

Wenn ich jetzt diese Liste lese, muss ich mich selber fragen, was ich mir dabei gedacht habe? Natürlich war ich dem Burnout nah – der Zeitplan war so überfüllt, dass es mir jetzt fast so scheint, als ob ich etwas zu beweisen hatte.

Das prägende Beispiel meiner Mutter

Bei manchen Sachen ist es ganz klar, wieso ich mich dafür angemeldet habe: die Gelegenheit zu lernen, wie man das eigene Essen anbaut hat mich beim Bauernprojekt tatsächlich interessiert. Italienisch wollte ich schon seit Jahren lernen. Schreiben ist meine Leidenschaft.

Aber die ehrenamtliche Arbeit in der Krippe und die Leitung des Elternbeirats? Die habe ich mit 75% Freude und 25% Pflichtgefühl aufgenommen, weil ich mir gedacht habe: So macht man das, wenn die eigenen Kinder in die Betreuung gehen. Ich habe mich nie gefragt, ob ich das wirklich will, sondern mir nur eingeredet, dass sie mich brauchen. Und wenn man gebraucht wird, wie kann man bloß „nein“ sagen?

Hier bin ich bestimmt dem prägenden Beispiel meiner Mutter gefolgt. Mit drei Kindern war sie selbstverständlich langjähriges Mitglied im Elternbeirat. Natürlich hat sie im Klassenzimmer und bei den Festen ausgeholfen, jedes Jahr für den Kuchenbasar gebacken, die Pfanne für meine Softball-Mannschaft genäht. Meine Mutter ist ein super Alleskönner – wie könnte ich als ihre Tochter „nur“ meine eigenen Sachen machen und gar nichts für die Gemeinde?

Ein „Frauenproblem?“

Als aber genau diese zwei selbstzugefügten Verpflichtungen mich wahnsinnig gestresst haben, musste ich mich fragen: Auch wenn ich glaube ich „sollte“ aushelfen, sollte ich auch dabei leiden? Ist es für mich ein Gewinn, wenn ich eigentlich gekränkt bin, weil ich mich ausgenutzt fühle?

Es hat eine Weile gedauert, bevor ich mir sagen konnte: „Deine Zeit darfst du ausgeben, wie du sie ausgeben willst. Du bist nicht nur bewundernswert, wenn du zusagst. Sondern auch, wenn du deine Grenzen erkennst und dementsprechend ziehst.“

Mir scheint dieses „Ich kann nicht nein sagen“ -Problem ein überwiegendes Frauenthema zu sein. Das Bild von einer Frau – vor allem einer Mutter – die zu viel zu tun und keine ausreichende Zeit und Kraft hat ist leider irgendwann „normal“ geworden. Aber wieso tun wir uns das an? Der Stress und die von Dauerüberforderung verursachten Spannungen sind langfristig für den Körper und auch für den Geist schädlich.

: Eustress vs. Disstress

Ich glaube wir Frauen sagen lieber ja als nein, weil wir von Anfang an gelernt haben, die Gefühle und Bedürfnisse von „der Gruppe“ Vorrang zu geben und die eigenen unterzudrücken. Frauen sollen mitspielen und nicht ihren eigenen Weg gehen. Eine Lektion, die nicht leicht zu verlernen ist. Aber eine starke, selbstbewusste Frau, die sich gut um sich kümmert und nur „ja“ sagt, wenn sie es wirklich 100% vom Herzen machen will? Das ist ein Frauenbild, dem ich gerne nacheifern will.

2020 als selbstkorrigierendes Jahr

Schon vor den Schulferien 2019 habe ich alle ehrenamtlichen Tätigkeiten, die mir keinen Spaß gemacht haben, aufgegeben und das genau rechtzeitig. Im August erhielt mein Vater eine Krebsdiagnose, die das Ende seines Lebens andeutete.

2020 ist mein Vater gestorben!

Als der September kam und ich offiziell gekündigt habe, war es mir klar, dass der Fokus im kommenden Jahr auf mir und meiner Familie liegen muss.

Durch Corona ist es in 2020 mehr als deutlich geworden. Wir müssen alle gut auf uns aufpassen. Wir werden alle gezwungen, uns zurückzuhalten und weniger vorzunehmen, und den Teil dieser Krise finde ich ausgesprochen positiv.

Eine globale Pandemie muss es aber nicht geben, um das Richtige für uns selber zu tun. Zu allen wie ich, die gerne den Wochenplan etwas zu sehr vollstopfen, sage ich: Probiert es aus. „Nein“ sagen ist nicht immer leicht, aber mit Übung kann es das schönste Wort in eurem Wortschatz werden.